"will to please" oder doch einfach nur ein "Goggolore"
Letztens hat mich der Artikel einer Tagesgazette beim morgendlichen Frühstück „Woher kommt die Faszination für den Labrador?“ aus dem Koma gerissen. Ein Kumpeltyp auf vier Beinen, der als treuherziger und etwas tollpatschiger Bauernbursche (Man verzeihe mir diesen Vergleich) mit seinem Besitzer singend und pfeifend durch Dick und Dünn marschiert? Ein Labrador ist schnell beschrieben. Er sei kompakt gebaut, muskulös, anhänglich, mit fröhlichem Wesen, und letztlich brilliert er mit einem ausgezeichneten „will to please“. Auf deutsch gesagt, er möchte seinem Besitzer gefallen. Wem diese Attraktion noch zu wenig Hund ist, kann sein Portemonnaie noch etwas mehr strapazieren und ihn neben Schwarz auch in Gelb (Blond) oder Braun (Schoko) bestellen. Wem das noch nicht reicht, es gibt diese Rasse mittlerweile auch in Weiß, Silber oder auch gerne in Champagner, Charcoal (Anthrazite) oder in Blau. „Hättest du von dem Vanilleeis vielleicht etwas mehr oder eventuell auch noch eine Kugel mit Schokoladengeschmack dazu?“ Der Marktplatz der Eitelkeiten hält heute für jeden Käufer das passende Geschenk bereit.
Dass sich diese diversen Varietäten bewiesener Weise auch auf das Verhalten, auf die Gesundheit und selbst auf eine geringere Lebenserwartung niederschlägt interessiert scheinbar dabei weder Züchter noch Käufer. Verdünnte Haare und Haarausfall, oft auch mit Hautproblemen, Taubheit, Ohrenentzündungen, missgebildete Augen oder depigementierte Nasenspiegel sind oft die Folge von genetischen Experimenten. Dr. Daniela Koppenhöfer beschreibt in ihrem Buch „Labbylike“ sogar Folgekrankheiten wie etwa Dauerschäden an Herz und Immunsystem. Nach einer Studie an der Universität Sydney werden schokobraune Labradore krankheitsanfälliger und ihre Lebenserwartung betrug fast eineinhalb Jahre weniger als die ihrer Kollegen mit schwarzem Fell. Es gibt zwar keine abschließenden Nachweise darüber, dass Sonderfarben mit CDA (dilute Gen) unkonzentriert, kippelig, nervös oder hyperaktiv sind, aber während meiner Tätigkeit als „Hundeerzieher“ kenne ich genügend solcher Rassevarietäten. Oft schiebt man solche Zappelphilippe dann gerne in die hyperaktive ADS-ADHS Schublade.
Über das so berühmte „will to please“ bei Labradoren möchte ich später noch etwas zufügen.
Vorab aber erst noch etwas über ein anderes Gen, von dem die wenigstens Labbyisten überhaupt wissen, dass dieses überhaupt in ihrem Hund vor sich hin schlummert. Es handelt sich dabei um ein kürzeres verändertes Gen namens POMC welches sich im Laufe der Zeit in das Erbgut eingeschlichen hat. Dieses Gen -jeder vierte Hund soll davon betroffen sein- ist auch als „Pummelchen-Gen“ beschrieben und hemmt das Sättigungsgefühl. Besonders häufig fanden die Forscher der University of Cambridge diese Gewichtszunahmen vor allem bei Hunden welche zu Arbeitshunden gezüchtet und ausgebildet worden sind. Daraus resultiert auch die Annahme, dass sich so ausgebildete Hunde leichter über Futter motivieren ließen. Ein Fettreservoir wurde gewollt, weil dies bei der Arbeit im kalten Wasser schützen und gleichzeitig für Auftrieb sorgen sollte.
„Nothing does not come“
oder
„Von nichts kommt nichts“
Ob sich ein Labrador letztlich metamorphosisch in eine Wurst verwandelt, liegt ausschließlich am Verhalten seines Besitzers und nicht an seiner Genetik. Am Abend bekommt er mit seinen 30 kg Körpergewicht gerne mal 330 Gramm Trockenfutter in seinen Napf, dazwischen diverse Leckerlis -weil er ja so anhänglich ist- und beim Üben wird er zusätzlich noch mit Guddis bestochen. Mit etwas Augenmaß sollte doch jeder Besitzer selber erkennen, ob er da unten einen Hund oder eine Wurst an der Leine spazieren führt. Dazu benötigst du keinen BMI-Rechner im Internet, es reicht dazu einfach sein Hirn zu benutzen und deinen Hund anzuschauen. Ja, ich kenne das selber, wenn dich da unten zwei Augen „was zum Essen“ aus einem „Skelett von Hund“ anhauchen, dich „Verräter“ nennen, dann ist es schwer stark zu bleiben.
„will to please“
oder doch nur
„der Wille gefallen zu müssen“
Am besten beginne ich mit euch beiden, also mit dir und mit deinem Hund. Noch besser, ich beginne bei eurem Gehirn und darin bei beider Nukleus accumbens, also bei eurem Belohnungssystem, welches eine zentrale Rolle in eurem mesolimbischen System spielt. „Nixe verstande? Dann du Googeln“ Es steuert unter anderem Gefühle und verstärkt oder schwächt Verhalten. Es wirkt direkt auf erlerntes Verhalten wie man mit Belohnungen oder auch auf ein Versagen von Wünschen umgehen kann. Glücksgefühle aber sind komisch, da gibt es auf der einen Seite jemand der eine Belohnung erhält und auf der anderen Seite gibt es jemanden der Belohnungen verteilt. Jeder von beiden verspricht sich etwas für ihre Bemühungen. Ein Hund der für Guddis dienlich wird und ein Besitzer der hofft, dass seine Belohnungen beim Hund auf Interesse stoßen. Im Grunde machen beide nichts anderes, als sich gegenseitig zu manipulieren. Studien belegen tatsächlich, wenn dir jemand einen Gefallen erweist, du sofort wesentlich sympathischer dastehst und dass ein erster Gefallen meist noch einen zweiten nach sich ziehen wird. Im Rückschluss kann man davon ausgehen, dass du mit einem Leckerli bei deinem Hund die „Arschkarte“ gezogen hast, weil ja du ihm anstatt er dir einen Gefallen erwiesen hat.
„Benjamin Franklin beschreibt dazu ein psychologisches Phänomen, wonach man andere sympathischer findet, wenn man diesen vorher einen Gefallen getan hatte.“
Zuckerbrot und Peitsche
oder
Verstehen von Motivationen
Bei lernenden Wesen, liegt u.a. die Annahme zugrunde, dass es am effektivsten ist, andere für erwünschtes Verhalten zu belohnen oder für unerwünschtes Verhalten zu bestrafen. Kann man denn z.B. einen Hund überhaupt mit Futter belohnen und kann man dann im Umkehrschluss mit einem Versagen von Futter, welches man für sich behält, bestrafen? Leckerlis werden im Alltag häufig dazu benutzt, um das Verhalten von Hunden zu motivieren, zu steuern, beruhigen, belohnen, ablenken oder auch zu bestrafen. Mit der eigentlichen Funktion des Essens als Nahrungserwerb hat dieses Verhalten nichts mehr zu tun. Belohnungen werden oft als positives Mittel angesehen. Und genau das gefällt vielen Labbibesitzern weil sie glauben, dass das genannte „will to please“ ein Selbstläufer ist. Das Verlangen von Labradoren zu gefallen kann auch zu psychischen Schäden führen, weil sie so leichter manipulierbar, aber auch angreifbar, verletzbar und von dem Hundeführer abhängiger sind. Hundebesitzer und Hundetrainer sollten sich beim Lernen und bei der Erziehung, nicht nur bei Labbis, nicht ausschließlich auf die Willfährigkeit ihrer Hunde leiten. Selbst das beste, ausgeklügelte Belohnungssystem funktioniert nicht mehr, sobald dein Hund gemerkt hat, dass es für seine Bemühungen nichts mehr gibt. Er wird so, weil er ja „will to please“ kennt, andere Verhalten probieren um so zu seiner Belohnung zu gelangen. Selbst mit dem Modell „trial and error“ wird er auf Dauer nicht zum Erfolg kommen weil er dann, ganz Labbilike zu gefallen, beginnt andere erlerntes Verhalten anzubieten. Das hat dann, wie der Schwabe treffend sagt, ein „Gschmäggle“ ,weil dadurch ein Verhältnis zwischen Drogendealer und Junkie entsteht. Ein Junkie wird dir für eine Spritze alles tun, ob er das versteht oder nicht. Und genau das gefällt vielen Labbibesitzern weil sie glauben, dass das genannte „will to please“ ein Selbstläufer ist. Das Verlangen von Hunden zu gefallen kann auch zu psychischen Schäden führen weil sie so leichter manipulierbar, aber auch angreifbar, verletzbar und von dem Hundeführer abhängiger sind. Hundebesitzer und Hundetrainer sollten sich beim Lernen und bei der Erziehung nicht ausschließlich von der Willfährigkeit der Hunde leiten lassen.
Von der Last jedem zu gefallen
Hunde mit willfährigem Wesen, dazu zählt auch der Labrador, sind nicht automatisch von Geburt an darauf fixiert seinem Menschen zu gefallen. Dass es ein sogenanntes Labbi-ich-will-dir-gefallen-gen gibt, steht ja nicht mit großen Lettern auf seiner Stirn geschrieben. Ich sehe dieses Geschisse mit der Vererbung ganz pragmatisch. Nicht jedes Kind wird automatisch zu einem Klaviervirtuosen, nur weil sich die Mama und der Papa ein Klavier gekauft haben. Der einzige Vorteil gegenüber anderen Kindern besteht einzig darin, dass es Eltern hat, die diese Veranlagung erkennen und seine Begabung weiter fördern. Arbeitet bzw. fördert man eine Veranlagung nicht , verblasst mit der Zeit auch die beste Veranlagung. In einer Untersuchung der Universität Budapest hat man Labradore gegen andere Rassen auf ihre rassentypischen Verhaltensmuster unterschieden. Dabei belegen sie bei der Gelassenheit nur auf Platz 36 und bei ihrer Trainierbarkeit auf einem mittleren bis guten 26ten Platz. Bei der Geselligkeit mit anderen Hunden und bei der Extrovertiertheit dagegen belegten Labradore schlechte 14te und 13te Plätze. Überträgt man diese Plätze auf das Wesen von Labbis, kommt man zum Schluss, dass sie zwar sehr arbeitswillig, dabei aber wenig konzentriert und leicht abzulenken sind. Dafür sind sie nicht gerade für ihre Schüchternheit sondern für ihre Geselligkeit berühmt und suchen ihre Bühne und das Rampenlicht. So ist uns ein Labrador gerne ein willfähriger Begleiter, ein Kumpel für das Grobe und für jeden Scheiß zu begeistern. Wäre der Labbi ein Schulkind, stünde im Jahresabschlusszeugnis „Er zeigte sich für alles zu begeistern und verstand seine Mitschüler zu unterhalten“. Käme nicht so gut, es sei denn, dein Kind wollte dem Beruf eines Pausenclowns nachgehen.
„Lass mich mal machen.
oh, schade
Jetzt ist es kaputt.“
Anderseits ist es genau dieses Wesensprofil, dieses -hoppla jetzt komme ich- was Menschen an einem Labrador fasziniert. Diese angenommene Leichtführigkeit steht aber im krassen zum Widerspruch seines Charakters. Labbis sind zwar auf eine enge Kooperation mit ihrem Besitzer gezüchtet, benötigen aber trotzdem jederzeit eine gute, führende und wissende Hand welche sie begleitet. Hunde dieser Rasse sind, sind zwar schnell zu begeistern, verlieren aber auch sehr schnell ihr Interesse wenn sie vor nicht lösbaren Aufgaben stehen. Vor allem dann, wenn ihre Besitzer nicht im Hintergrund aktiv und motivierend mitarbeiten.
Leider wird diese Begeisterung von Hunden uns zu gefallen von zu vielen Menschen als Selbstläufer erkannt und so werden sie nur mit Bälle werfen und Stöckchen apportieren bedient. Dieses ist für einen intelligenten Labrador wirklich nur peinlich und so wundern sich die Besitzer dann, warum ihr Hund jedem und allem hinterher hechelt.
Eine gute Arbeitsveranlagung wird heute nur noch selten wirklich Wert geschätzt und noch seltener richtig ausgelastet. Und so muss man sich nicht wundern, wenn sie ausschließlich mit Bällen, Stöckchen oder Zirkusattraktionen verdummt werden, dass sie sehr schnell unkontrolliert hochfahren können. Wenn sich der Tagesablauf dieser überreizten Zappelphilippe nur noch vom weghören definiert, sind viele Besitzer und auch Trainer schnell überfordert. Da wird dann sofort das alte Problem eines hyperaktiven (ADS/ADHS) Hundes diagnostiziert, obwohl dieses Syndrom nicht genetisch vererbt werden kann. Das Labradore oft körperlich bis distanzlos sind, hängt auch damit zusammen, dass diese Rasse während des Jagens gemeinsam mit Menschen und anderen Hunden zusammen arbeiten müssen. Da bleibt es halt nicht aus, dass man das Körperbetonte liebt und sucht.
Bleibt mir gewogen
Manfred Gibisch