Es ist auch in der heutigen Zeit leider immer noch Usus, dass man als erzieherische Maßnahmen zu aversiven Methoden greift.
Sie laufen in der Regel immer gleich ab: „Das Opfer wird seine gezeigten Intensionen kurzzeitig abbrechen, bleibt dabei entweder in einer momentanen Schreckstarre oder entzieht sich dem Eingriff durch Flucht. Dieses Verhalten wiederum belohnt den Täter seinerseits, welcher deshalb seine Intensionen verstärken oder auch optimieren wird.“
Er, in diesem Fall also der Täter, versteht nicht, dass es dabei ausschließlich nur um Vermeidung und nicht um ein Lernen an sich geht. Die Vermeidungsstrategie des Opfers wird folglich auch nur über diese Person konditioniert welche ihn vorher aversiv behandelt hat. Oder eben auch durch die entsprechenden zur Verfügung stehenden Instrumente, wobei der Täter dann im eigentlichen Sinne austauschbar wäre.
Ich selber bin wirklich absolut gegen strafbasierte Erziehungsmethoden, aber andererseits auch keiner der mit Wattebäuschen um sich wirft.
Eine Strafe muss für den Bestraften nachvollziehbar sein damit sich dessen Verhalten nachhaltig verändert und sich nicht ausschließlich auf den Aggressor bezieht. Eine waghalsige und gleichzeitig oft die letzte Strategie des Opfers wäre die Flucht nach vorne. Für den Täter im Worstcase-Szenario allerdings die schlechteste Option.
Ob das mit einer Wasserflasche oder mit einer Rappeldose auf Dauer funktioniert darf ich anzweifeln. Eigentlich wird dabei nicht die eigentliche Krankheit behandelt, sondern nur die gezeigten Symptome überdeckt.
Aversive Methoden
sind Mittel mit denen durch Zwang oder Strafe versucht wird unerwünschtes Verhalten zu unterbinden. Man kann davon ausgehen, dass ein Hund diesen Schreck oder Schockreiz nicht mit seinem momentanen Verhalten sondern eher mit seinen momentanen Emotionen oder Gefühlen verknüpfen kann. Der optische Erfolg ist zwar da, wirkt aber nur temporär und wird nie von Dauer sein weil kein wirkliches Lernen dahinter steckt. Mit aversiven Mitteln zu arbeiten erzeugt Wut, Kontrollverlust und Ohnmacht. Dieses "trio infernale" führt dann zur Hilflosigkeit was wiederum in Aggression mündet. Nicht selten werden daraus dann tickende Zeitbomben und plötzliche Beißattacken die weder vorausschauend noch erkennbar waren.
Wenn man Emotionen oder Gefühle nicht bewusst interpretieren und steuern kann, bleiben sie diffus. Kann man diese nicht selber kontrollieren, kommt es zu einer sogenannten Affekthandlung*2). Durch Frustration und Resignation steckt man den Hund in ein Labyrint aus dem er alleine nicht mehr herausfinden wird.
Dass aversive Methoden, zu denen auch Wasserspritzen, Rappeldosen oder Discs zählen, ganz nebenbei auch tierschutzrelevant sind versteht sich heute von selbst.
Dauerhafter Stress
kann bei Hunden ihre lebenslange psychische und physische Gesundheit beeinträchtigen. Wenn sich die kognitiven Fähigkeiten und sozialen Bindungen über ein sicheres und vorhersehbares Umfeld nicht gewähren lassen, spricht man vom toxischem Stress. Solche Hunde sind weniger zuversichtlich, haben Konzentrationsmängel was wiederum stark ihre Lernfähigkeit hemmt. Was letztlich auch eine sichere Bindung zu seinem Besitzer erschwert oder sogar nicht mehr stattfindet.
Von einer unsicher ambivalente Bindung
spricht man dann, wenn sich in einer Beziehung das Tagesgeschäft zwischen wiederholten widersprüchlichen Handlungen abspielt. Z.B. wenn die Bezugsperson des Hundes zwischen diversen Erziehungsmethoden pendelt und dabei gleichzeitig emotional gegensätzliche verbale und nonverbale Kommunikationen weiter gibt. Die Folge, ein Hund wird für sich kein Denkmuster erkennen und sich so immer mehr in ein Netz seiner inneren Zerrissenheit verheddern. Das eigentliche schlimme daran ist tatsächlich, dass zu viele Hundebesitzer verlernt haben den richtigen Ton zu treffen. Mein Hund weiß sehr wohl von wem die Strafe ausgeht, er erkennt aber zu oft nicht die Konsequenz aus welchem Verhalten die Strafe entsteht. Wenn eine Erziehung nur über Vermeidung führt, führt man ratzfatz einen Psychopaten an der der Leine.
Ein Lernen
wird es so gut wie nie geben, weil unter Stress ein Lernen blockiert ist. Der Erfolg wird nur scheinbar als Erfolg erkauft und kratzt nur temporär an der Oberfläche einer gewollten Erziehung. Was wir fälschlicherweise oft als Erfolg sehen ist nichts anderes als eine Vermeidungsstrategie des Hundes. Letztendlich wird ein durch Regressionen erzogener Hund auch niemals Vertrauen zu seinem Besitzer finden.
Psychische Konflikte
entstehen aus neurobiologischer Sicht dann, wenn man Fehlverknüpfungen mit emotionalen Dinge verknüpft die funktional nichts miteinander zu tun haben. Kann sich ein Hund diesem Dilemma nicht autonom entziehen, wird das sehr schnell zu Ersatzhandlungen führen. Beschwichtigungssignale, die auf Dauer ignoriert werden, führen unweigerlich ins Verderben. Man kann einem Hund seine psychische Konflikte nicht über eine Wasserspritze heilen. Erfolgen diese Reize auf Dauer ohne dass sich ein Hund selbstständig aus dieser Situation befreien kann, muss er zwangsläufig zu anderen Mitteln greifen um seine bewusste Kontrolle wieder herzustellen.
Wenn das Ventil klemmt
wird es zwangsläufig und relativ schnell zu Ersatzbefriedigungen oder Ersatzhandlungen kommen. Diese werden dann wieder von neuem gehemmt und unterbrochen. Man kann davon ausgehen, dass auch dieses Problem wiederum nur temporär helfen wird. Es wird nur ein neues Problem zum bestehenden hinzugefügt. Von einer Nachhaltigkeit eines Lernens ist man dabei meilenweit entfernt. Setzt man Hunde unter psychischen Stress und versucht zusätzlich seine Handlungen über aversive Mittel zu regulieren, platzt der ganze Kessel. Schon Isaac Newton wusste, dass Druck immer Gegendruck erzeugt.
Wer seinem Hund mit „ungesunder“ Härte begegnet, wird keinen ambitionierten Helfer auf seiner Seite haben. Gerade Hunde die eh schon einen „Knacks“ weg haben, mit psychischen Problem zu kämpfen haben, brauchen keinen Partner an ihrer Seite der zu Ambivalenz neigt und so selber zum Problem wird.
Wenn der Führer
das Problem für seinen Hund darstellt, wird dieser automatisch als Bedrohung wahrgenommen, weil dessen Unberechenbarkeit seine Ordnung zunichte macht. Das führt automatisch und unmittelbar zum Kontrollverlust. Was wiederum zu neuen Konflikten führt.
Unbewältigbarer Stress*1)
tritt dann in Erscheinung, wenn ein Hund bei erhöhten Anforderungen wie Problemen oder akuten Gefahren keine Möglichkeit sieht, sie durch eigene Aktivität zu bewältigen. Neben körperlichen Überforderungen sind solche Stresssituationen vor allem von starken negativen Gefühlen wie Hilf- und Aussichtslosigkeit gekennzeichnet. Sie gehen mit der Ausschüttung von Stresshormonen, der Entstehung von Denkblockaden, negativer Gedächtnisbildung, Überforderung des Immunsystems und stark belastenden Körperreaktionen einher. Die Intensität, Häufigkeit und Dauer solcher Stresssituationen bestimmen das Maß der Belastung und können über so genannten toxischen Stress im Extremfall bis zum Tod führen. Solche Schad- und Risikofaktoren gilt es zu vermeiden.
Ob für einen Hund bewältigbarer oder unbewältigbarer Stress entsteht, hat neben dem Situationsverlauf vor allem mit seiner Entwicklungsgeschichte zu tun.
Bewältigbarer Stress
ergibt sich dann, wenn es einem Hund gelingt, bei erhöhten Anforderungen durch eigenes Tun wie z.B. Lösung eines Problems oder Abwehr von Gefahren die Situation zu bewältigen. Mit der eigenen Aktivität und erfolgreicher Anstrengung gehen zugleich Gefühle der Stärke und Bewältigungsfähigkeit einher (Selbstwirksamkeit). Diese haben einem hohen inneren Belohnungswert und führen zu der Grundeinstellung, positiv gestimmt Herausforderungen anzunehmen oder gar selbst zu suchen.
*1) Stress und Epigenetik, Kynologen AG
*2) Wikipedia
Charakteristische Merkmale von Affekthandlungen sind die spezifische Vorgeschichte der Tat mit einer speziellen Täter-Opfer-Beziehung und die am Ende dieser Entwicklung stehende emotionale Ausgangssituation vor der Tat.
Eine Übersprungshandlung dagegen bezeichnet ein Verhalten, das in einer Konfliktsituation auftritt und nicht direkt einer bestimmten Ursache zugeordnet werden kann. Sie dienen als eine Art Fluchthandlung aus dem Konflikt und werden aber auch durch Unbehaglichkeiten oder Stress ausgelöst.