Schwieriger Hund
Mein Hund heißt Janus
Wenn du vielleicht schon mal irgendwo ein Bild oder eine Münze gesehen hast auf dem ein Gesicht mit zwei Köpfen dargestellt wurde, dann war das ganz sicherlich der Janus. Janus wird in der römischen Mythologie als Licht- und Sonnengott, Gott des Anfangs und des Endes und als Gott der Ein- und Ausgänge aller Türen und Tore beschrieben. Angeblich sei er sogar der älteste Gott in der Geschichte und wird immer zweigesichtig, als der Zweiköpfige oder als doppelköpfig dargestellt. Leider wird er in unserer heutigen Zeit oft und gerne als Synonym für Menschen mit dem „zweiten Gesicht“ bezeichnet, gelten als wenig berechenbar und so als janusköpfig. Diesen Makel, welcher ihn da fälschlicherweise anhaftet, hat er wirklich nicht verdient.
Wenn wir im Alltag unser „Geschwätz“ von gestern aus unserem Gedächtnis streichen, gelten wir nicht automatisch als Janus oder gar als der mit den zwei Gesichtern. Gedankenprozesse dienen auch dazu, sich rückwärtig an neue Ansichten anzupassen. Unser Wissen ist doch nicht fest zementiert wie ein Grabstein auf dem Friedhof. Unsere grauen Zellen müssen benutzt werden, damit sie flexibel bleiben. Nur so können wir schnell auf neue Umweltbedingungen reagieren und darauf agieren. Nur Dogmatiker und Sturköpfe sind unflexibel und verharren im Netz ihrer eigenen Denkstarre.
Der schwierige Hund
Denken ohne Gehirn
Sogar Einzeller besitzen eine „Intelligenz“, reagieren permanent auf ihre Umwelt und können so Probleme lösen. Jede Lösung von heute muss morgen neu umgedacht werden. Ob und wie ein Gehirn auf diese Umweltreize reagiert, bestimmt seine kognitive Flexibilität. Jede Reaktion kann von Situation zu Situation unterschiedlich ausfallen. Wissen, Erfahrung, gute oder schlechte Laune, Angst, Furcht und auch körperliche Behinderungen oder Krankheiten tragen dazu bei. Exekutive Funktionen dienen der Selbstregulierung des eigenen Verhaltens auf eine Problemsituation und werden selten bewusst wahrgenommen. Oft wird dieses Verhalten auch von vorausgeschehenen Ereignissen gesteuert. Ob und wie sich eine Reakton darstellt ist also immer Variabel und hat deshalb überhaupt nichts mit einem Janusgesicht zu tun.
Der schwierige Hund
Seine Denkstarre
Unseren Hunden geht es dabei keineswegs anders. Sie möchten, wie wir auch, in der Regel nichts anderes als ihre eigene Unversehrtheit behalten und werden diese im Zweifel auch verteidigen. Nur, weil sie nie lernen durften, dass sich auch alternatives Verhalten rentieren kann, darf man deshalb nicht automatisch von schwierigen Hunden sprechen. Das ist weder genetisch veranlagt noch ist es vererbt, sondern ist oft ganz klassisch konditioniert(1) worden. Abstraktes Denken, also ein losgelöster Denkprozess von komplexen Problemlösungen findet bei Hunden wenig bis gar nicht statt. Bleibt letztlich die Frage zu klären, ob tatsächlich unsere Hunde immer schwieriger werden oder ob die allgemeine Bewusstseinslage unserer heutigen Gesellschaft keine Freiräume für Individualisten akzeptieren oder bereit halten kann. So wird eine mangelnde oder fehlende erzieherische Einflussnahme auf den Hund auch immer nur von außen entsprechend bewertet und leider gerne auch von Dritten unsachlich kommentiert.
Bei der klassischen Konditionierung lernt der Hund eine bestimmte Reaktion auf einen gewissen Reiz. Dazu wird der zuvor noch neutrale Reiz mit einem Reiz, der die konditionierte Reaktion auslöst, kombiniert (Pawlow 1849 – 19369)
Der schwierige Hund
als „Sodahund“
Früher war einfach früher und so durften manche Hunde ihr Dasein irgendwo in Bullerbü auf einem Bauernhof fristen. Andere dienten als Hütehund, als Jagd- oder als Wachhund und galten daher als sogenannter Gebrauchshund. Nur wenige fanden seinerzeit den Weg in die urbane Welt einer Stadt. Und weil man natürlich immer einen Deckel zum passenden Topf finden muss, nannte man diese neue „Spezies“ jetzt Familienhund. Letzterer lebte ab sofort innerhalb einer Familie und erzieherische Maßnahmen gab es dabei so gut wie gar keine. Sie waren halt einfach „Nur so da“ und -man verzeihe mir diese Anmaßung- vielleicht dumm, dafür aber glücklich. Wenn überhaupt, dann fanden erzieherische Maßnahmen meist nur von selbst ernannten Sportlern auf diversen Hundesportplätzen statt.
Etwas salopp und vorsichtig gesprochen, dienten solche „Benimmschulen“ um die Jahrhundertwende eher dazu Hunde abzurichten als denn zu erziehen. Erziehung war primär mit Dressur gleich zu setzen und galt nur dann als persönlicher Erfolg, wenn sich ein Hund als willfähriger Dienstleister darstellen konnte. Wenn man aber seine rosarote Brille mal abnimmt und über seinenTellerrand schaut, wird man sehen, dass diese Dunkelwelt des Kadavergehorsams seit heute nicht viel heller geworden ist. Mit Pädagogik im Sinne einer Einflussnahme auf die soziale Entwicklung eines Hundes hat das leider nichts zu tun. Wenn Hundetrainer heute noch immer im Irrglauben leben, mit einer Strategie der Einschüchterung nur so sein eigenes Ordnungssystem aufrecht zu erhalten, hat er nichts gelernt. Ich meine den Begriff des Dogmatismus schon mal erwähnt zu haben.
Schwieriger Hund
die Definition
Viele meiner Kunden hatten mit ihren Hunden im Vorfeld schon bereits diverse Kurse in Hundeschulen besucht. Kurios dabei, dass im Stresstest kein Besitzer das bereits Gelernte von seinem Hund abfordern konnte. Ich bin natürlich schon davon überzeugt, dass bei jedem Hund, nachdem er viele Übungsstunden im Kreis herumkonditioniert wurde, auch etwas am sogenanntem Grundgehorsam hängen geblieben sein muss. Ja, das Leben ist kein Wunschkonzert und wer dabei schon mal den „Stinkefinger“ seines Hundes gezeigt bekam, versteht was ich meine. Daran erkennt man ihn aber leider auch nicht, den sogenannten „schwierigen Hund“. Einen „schwierigen Hund“ erkennt man daran, wenn dieser Unfähig ist, sich gegenüber seiner momentanen Umwelt als Sozialkompetent darzustellen. Ich kann deshalb davon ausgehen, dass sich so ein Hund noch nie am Tun seiner Bezugsperson orientieren musste. Eine stabile Bindung kann nie innerhalb eines Vacuums von Hundeplätzen sondern ausschließlich innerhalb der Familie „Peergroup“ statt finden. Nicht jeder Hund ist automatisch sozial, nur weil er gelernt hat, sich auf Kommando auf seinen Arsch zu setzen. Eine gelernte Zirkusnummer ist bestimmt sehr nett, hat aber weder etwas mit Erziehung noch mit Sozialisierung zu tun.
Schwieriger Hund
Sein Wesen
Jeder Hund zeigt, ich wiederhole mich dabei, nichts anderes als ein adäquates Verhalten auf seine momentane Umwelt. Jeder einzelne wird dabei eine andere Strategie wählen, um so zu versuchen, sein eigenes Ordnungsystem und nicht das seines Besitzers aufrecht zu halten. Seine Umwelt sitzt ja jetzt nicht einfach nur so im Liegestuhl und schaukelt vor sich hin oder versteckt sich hinter einem Busch, nur weil du mit deinem Hund gerade des Weges daher trottest. Umwelt kommuniziert immer und wird dabei garantiert immer einen Dummen finden, der sich auf sie einlässt. Die Antwort deines Hundes darauf ist im Zweifel vielleicht etwas ganz anderes und vor allem vielleicht schneller als du es erwartet hättest. Du hast dabei meist keine Zeit mehr, mit ihm über Richtig oder Falsch zu diskutieren oder wer von euch beiden die weitere Richtung vorgibt.
Schwieriger Hund
Konsequenz der Erziehung
So fern du als Hundehalter mit einer evtl. Begleithundeprüfung liebäugelst, kommst du automatisch nicht vorbei, dich mit einem Nachweis der Sachkunde auseinander zu setzen. Unter anderem wird dein Wissen dabei auch nach der richtigen Erziehungsstrategie eines Hundes hinterfragt. Unter dieser Frage musst du aus vier verschiedenen vorgegebenen Antworten eine richtige Antwort ankreuzen. Ich kann es vorausschicken, die richtige Antwort darauf wäre die der Konsequenz.
Natürlich ist eine konsequente Erziehung immer wichtig, dient aber primär nur als ein Hilfsmittel für diverse Erziehungsmethoden und ist somit im eigentlichen Sinne gar keine eigene Erziehung. Entschlossenheit und Unbeirrbarkeit, so die Definition von Konsequenz, kann dabei sehr schnell in die falsche Richtung abgleiten. Um konsequent zu sein, muss man sich in die Lage versetzen können, seine Konsequenz gegenüber einem Dritten nachvollziehbar zu vermitteln. Konsequenz ist also nicht der goldene Schlüssel zu einer guten Erziehung. Man muss sie auch manchmal über Bord werfen können, sein eigenes Tun hinterfragen um so das eigentliche Ziel zu erreichen. Ofmals bleibt man zu leicht in seinem eigenen Korsett der Unbeirrbarkeit hängen und merkt selber nicht mehr, wie die angedachte Konsequenz wie Rauch im Wind von dannen weht.
Konfuzius sagt:
„Wenn du auf deinem Weg das Ziel nicht findest, suche dir einen anderen Weg.“
Schwieriger Hund
sein Selbstbild
Es sind oft fehlende Grenzen und eine fehlende Ordnung an denen sich ein Hund innerhalb seiner sozialen Umgebung orientieren kann. Das sind jetzt keine neuen Erklärungsansätze, sondern sind in erster Linie nur ein hausgemachtes Symptom einer gestörten Beziehung zwischen zwei unterschiedlichen Partnern. Ein so genannter schwieriger Hund, wird erst daurch auffällig, wenn er wenig bis gar keine Resilienz gegenüber seine Umwelt entwickeln konnte und nur einem Impuls folgend nachhechelt. Damit ein Hund überhaupt über ein realistisches Selbstbild verfügen kann, benötigt er innerhalb seiner Familie eine stabile und soziale Bindung. Und damit keine Verwechslung entsteht, eine Resilienz hängt nicht nur alleine von den Genen ab, sondern es spricht viel dafür, dass eine Resilienz auch vom Wachstum der Gehirnnerven beeinflusst wird. Auch potentieller Stress oder traumatische Ereignisse schwächen sie. Je flexibler und plastischer ein Gehirn denken kann, desto besser kann es Ereignisse einschätzen, richtig handeln um so zu erkennen dass sich dadurch etwas verändert.
Leider dürfen viele unserer Hunde nicht lernen, dass sich durch ihr Handeln auch etwas positiv verändern kann. Ich meine dabei aber keineswegs, dass sich durch seine Intension ein Briefträger erfolgreich verjagen lässt. „Learning by doing“ ist hierbei nicht zielführend, wird vom Hund perse aber trotzdem konsequent eingesetzt. Blöd nur, wenn der Postmann zweimal klingelt.
„Die Definition von Wahnsinn ist,
immer wieder das Gleiche zu tun,um dann ein anderes Ergebnis zu erwarten“
(Albert Einstein)
Schwieriger Hund
Erziehungsstrategien
Ich möchte dabei noch einige humanistische Erziehungsstile vorstellen und wieweit diese pädagogischen Ansätze und deren moralische Auswirkungen für unsere Hundeerziehung von Relevanz wären.
Autoritär
Die Entscheidungen treffen die Eltern
Hierbei gilt die Bestrafung als probates Mittel
Autoritativ
Die Autonomie des Kindes berücksichtigt den Willen des Kindes.
Entscheidungen werden diskutiert. Entscheidungen treffen aber die Eltern.
Hohes Maß an emotionaler Wärme und trotzdem Akzeptanz von Macht. Liebevolle Hinwendung und Machtanspruch unter Anwendung von Regeln.
Permissiv
Die Autonomie des Kindes wird gefördert, berücksichtigt und akzeptiert.
Eltern sind dabei liebevoll besorgt, unterstützen es aber nicht aktiv.
Paternalismus
Die Gemeinschaft soll ihre Mitglieder in ihrer Kindheit und frühen Jugend zu vernünftigem Verhalten erziehen und Gefahr von ihr abzuwenden, anstatt sie im Erwachsenenalter zu bevormunden.
Mit sanftem Zwang ins Glück.
Auch neben weiteren vielen anderen Erziehungsstilen, autokratisch, demokratisch, egalitär, laissez fair Stil oder negierend wirst du keine Legimität einer richtigen pädagogischen Eingriffes finden.
Schwieriger Hund
der richtige Weg?
Jeder dieser Erziehungsstile hat für sich alleine keinen Anspruch auf Richtigkeit. Keiner der einzelnen Stile kann uns bei der Erziehung unserer Kinder noch bei unserem Hund alleine weiterhelfen. Wie sagte schon 1937 der Herr Schöller zum Kind? „Du musst dich entscheiden. „Entweder das Zehnerle oder das Eis. Alles gleichzeitig gibt es nicht“.
Bei meinen eigenen Hunden favorisiere ich dabei ganz klar die Mischung aus autoritativer und paternalistischer Erziehung. Beide sind aber für sich alleine genommen weder Erziehungsmethoden noch legimitieren sie eine eigene Erziehungsphilosophie. Ich meine aber, dass sich beide zusammen vortrefflich eignen, einen Hund in die richtige Spur zu führen. Aber wie gesagt, dass ist nur meine persönliche Entscheidung. Es wird natürlich auch immer Menschen geben, die immer wissen, warum der andere gerade etwas falsch gemacht hat und wie sie das besser lösen würden. Wir, also ich und meine Hunde, kommen gut damit zurecht. Man sagt ja „das Mittel heilt die Krankheit“ aber man sollte immer beachten, dass dieses Mittel dabei nie als Selbstzweck dienen darf.
Resumé
Jeder von uns kennt diese Phrasen „Das Problem hängt immer am Ende der Leine“ oder „Der Fisch beginnt immer vom Kopf an zu stinken“. Jeder kennt sie, jeder nutzt sie und trotzdem löst keines davon dein Problem und schon gar nicht das deines Hundes. Es hilft dir halt wirklich nicht weiter viel gute Ratschläge zu erhalten, wenn du danach wieder alleine mit deinem Problem da stehst.
Manfred Gibisch
Hundeschule ALMhund

