von PAR004_DF
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05 Nov., 2021
Endlich erfolglos lernen Terra incognita oder Wenn es dunkel wird im Oberstübchen Mit diesem Blog „Terra incognita“ beginne ich mit dem ersten von insgesamt zwei neuen Artikeln. In beiden versuche ich darin, das Lernen über Erziehungsratgebern und gerade auch aktuell den Erfolg von sogenannten Hundebegleit- oder Hundeführerscheinen als Absurdum zu führen. Den Titel „Terra incognita“ habe ich gewählt als es auch als Synonym für ein unbekanntes als auch für ein noch nicht betretenes Territorium steht. Teil 1 Ratgeber und Ratsuchende Die Ratgeberindustrie wächst rasant, Tendenz steigend . Hilfe für Hilflose sind mittlerweile in jeder Nische zu finden. Dieser Markt wird massiv beworben und belegt mit ca. 14% den Platz drei im Ranking aller deutschen Neuerscheinungen. Nicht mit eingerechnet sind diverse Ratgeber in Illustrierten, Magazinen, TV Serien, You-Tube, Facebook oder in ähnlichen Formaten. Aus einem Gesamtumsatz des Handels von 9,13 Milliarden Euro fielen dabei stattliche 1,25 Milliarden Euro an Ratgeber. (Quelle: Domradio vom 17.10,2019) Inmitten der Volksfeste für Ratsuchende stehen gefühlt immer mehr Ratgeber für zwischenmenschliche Beziehungskisten in den Regalen der diversen Buchläden. Auf diesem Karussell der Probleme, das sich immer weiter und schneller zu drehen scheint, fahren auch immer mehr Mensch-Hunde Beziehungen mit. Sucht man auf einer x-beliebigen Suchmaschine nach „Erziehungsratgeber für Hunde“, erhält man innerhalb von 0,63 Sekunden ca. 200 000 Ergebnisse. Es geht dabei keineswegs um Qualität sondern ausschließlich um Quantität, um das Ranking und um Algorithmen. Man fragt sich unweigerlich, ob man wirklich für jeden Kack den ein Hund hinten raus drückt, einen Ratgeber benötigt. Erfolge dabei sind meines Erachtens eher als kritisch zu bewerten, weil beide Partner, in dem Falle also der Mensch und sein Hund, erst von einem Problem überzeugt werden müssen von dem sie bis dato gar nichts wussten. Erhaltungserwartungen werden sehr schnell getrübt, wenn sich der Erfolg binnen kurzer Zeit nicht einstellt. Ratgeber kennen weder den Käufer, noch dessen Umwelt, schon gar nicht seine Möglichkeiten und erst recht nicht dessen momentanen Umwelteinflüsse. Auch dessen Hund mit seinen genetischen Anlagen, seiner psychischen oder physischen Verfassung hat nie jemand gesehen. Man kann Probleme auch herbei reden Die Zielgruppe der Menschen mit Problemen sind die besten Käufer, die bis dato gar nicht erkannt hatten, dass sie seit Jahren ein Problem vor sich her geschoben haben. Ratgeber sind nicht automatisch effektiv, nur weil sie viel produzieren oder viel leisten. Den Leser nebenher zu unterhalten ist ein Teil des Ganzen.Viele haben etwas was ihnen fehlt, nämlich die Weit- und die Einsicht, dass sich weder Menschen noch ihre Hunde wie eine Dosenmilch homogenisieren lassen. Früher war ein Hund einfach nur introvertiert, heute hat er eine Sozialphobie. Früher war er extrovertiert, heute hat er gleich ADH oder ADHS. War er früher aufdringlich, ist er heute dominant und war er nur unsicher wird heutzutage über Aggressionen spekuliert, nur weil er sich einfach nicht von jedem anfassen lässt. Letztens kam mir eine junge Dame mit ihrem 6-jährigen Boxerrüden entgegen. Dieser kam sofort zur Sache und sprang mich direkt an. Kommentar der Besitzerin „Ja mei, der ist halt immer gleich so dominant“. Äh….“Der ist nicht dominant, der ist halt einfach ein Rüpel, aufdringlich und leider überhaupt nicht erzogen“. Woher stammt jetzt dieses Wissen dieser jungen Hundebesitzerin? Gelesen, Gesehen oder nur mal irgendwo Gehört? Aber anstatt ihr eigenes Fehlverhalten zu erkennen und an diesen Problem zu arbeiten, gibt sie das Problem letztlich nur an ihren Hund weiter. Wie hieß es in der Schule so gerne….Thema verfehlt, Note sechs. Früher gab es Wissen Das erste Buch über Kynologie kam 1910 auf den deutschen Markt. Rittmeister a.D. Max Emil Friedrich von Stephanitz beschrieb in seinem Leitfaden „Der deutsche Schäferhund als Diensthund“. Das war kein Ratgeber sondern ein Fachbuch. Wenn man noch weiter zurückgeht, fällt ein Buch auf, welches Jägern diente und über die Hasenjagd mit Hunden handelte. Das war bereits vor 426 Jahren unserer Zeitrechnung und geschrieben hat es der griechische Gelehrte, Politiker und Philosoph Xenophon. Auch das, kein Ratgeber, sondern auch ein Fachbuch. Heute gibt es Ratgeber Selbstmedikation ist nichts für Laien. Ehrlich, auch wenn man dass nicht so verstehen möchte, ein Ratgeber kennt keine Geschichte im Hintergrund. Es ist nichts als ein stochern im Nebel. Falsche Ratgeber können sehr schnell zu Silvesterraketen mutieren. Ohhh, Uiii, Ahhh, Schööön -und dann- wird es plötzlich wieder dunkel im Oberstübchen. Als Ergebnis fehlender Orientierung wird dann zwischendurch noch zur Fernbedienung gegriffen und schläfert so seine Gehirnzellen während einem 10 minütigen Videoglück über Hundeerziehung weiter ein. Während des dahindämmerns merkt niemand, dass über gestellte Momentaufnahmen keine Nachhaltigkeit vermittelt werden kann. Es reicht, wenn es gekauft wird! Wer das glaubt, glaubt auch, dass die „blaue Elise“ ein Ameisenbär ist. Übrigens, diese Sendung gefiel 91% der über 50 jährigen Nutzer. Fazit; Man muss halt nur die richtigen Fragen an die richtigen Nutzer stellen. Nur das ausschließliche Verstehen des gelesenen ist von dauerhaftem Nutzen und das nennt man von seither Lernen. Viele Ratgeber schreiben mir zu wenig über das eigentliche Verstehen einer Ursache und dafür zu viel über die Wirkung. Sachbuch, Fachbuch, Lehrbuch oder Ratgeber? Es reicht nicht, es nur zu kaufen E in Sachbuch ist wissensorientiert und soll primär einen privaten Nutzen haben. Sachliteratur richtet sich an Menschen, die sich über ein spezielles Thema informieren möchten, aber keine Fachleute in dem Gebiet sind. Darin wird Fachwissen so aufbereitet, dass es für den interessierten Laien verständlich und nachvollziehbar wird. Es dient der reinen Information über ein bestimmtes Thema, bei dem sich eigentlich nur Experten auskennen. Aber natürlich interessieren sich auch Menschen dafür, die keine entsprechende Ausbildung in diesem Bereich haben. Genau wie das Sachbuch ist das Fachbuch wissensorientiert - Es vermittelt also auch Wissen an den Leser. Fachbücher sind aber zudem noch handlungsorientiert, denn der Fachbuch-Kunde soll das Wissen nutzen, um bestimmte Handlungen durchführen zu können. Der wesentliche Unterschied zwischen einem Sachbuch und Fachbuch ist primär der berufliche Nutzwert von Letzterem. Es richtet sich also an Fachleute, die bereits Vorwissen zu dem behandelten Thema haben und weitere Informationen für ihre Berufspraxis benötigen. Sie lesen für ihre Weiterbildung Fachliteratur, die sich auf Experten-Niveau befindet und für Laien oft unverständlich ist. Dadurch lernt man neue Behandlungsmethoden kennen (wissensorientiert) und ist wegen ihres beruflichen Hintergrunds (beruflicher Nutzwert) in der Lage, diese am Kunden anzuwenden (handlungsorientiert). Lehrbücher lassen sich den Fachbüchern zuordnen, denn sie weisen deren Merkmale auf: Lehrbücher vermitteln Wissen (wissensorientiert), das für die Ausübung von bestimmten Aufgaben (handlungsorientiert) in der Ausbildung oder Studium notwendig ist. Ratgeber vereinen sowohl Merkmale von Fachliteratur, als auch von Sachliteratur, weil sie handlungs- oder nutzenorientiert sind und einen privaten Nutzen haben sollten. Ratgeber richten sich an Menschen, die zu einem konkreten Thema Rat bzw. Hilfestellung suchen. Die Krux dabei ist aber, dass ein guter Ratschlag vom Sender selten den richtigen Empfänger findet. Ratschlage können zudem keine offenen Fragen klären und bei einzelnen Problemen nachhaken. Viele dieser Experten lassen zu wenig Licht in´s Dunkle und setzen den Leser dabei nicht selten unter Druck. Die Käufer von Ratgebern suchen Orientierung und keine guten Tipps für die Instantsuppen. Sofort löslich, ohne Vorbereitung herzustellen und in kürzester Zeit zum Genuss inklusive Zucker und Milch bereit. Das neue Lernen heißt Verstehen Lernen sollte einen vor dem Kopf stoßen und das bisherige Denken nachhaltig verändern. Der Erfolgreiche wird das Problem verstehen, dann wird er es verstanden haben und dann kann er erfolgreich handeln. So kann er nämlich nicht das Symptom sondern die eigentliche Ursache kurieren. Das Ganze nennt man „Functional Safety“ oder einfacher gesagt "Fehler finden, Zusammenhänge verstehen und effizient handeln“. Es geht dabei um die Kausalität einer Verknüpfung mit ihrer Komplexität zwischen Ursache und Wirkung zu erkennen. Das Problem Das Problem bei den meisten Ratgebern besteht darin, dass man nicht die richtigen Fragen stellen kann und nur nach Antworten sucht. Das beste Patentrezept hilft nichts, wenn der Leser nur begrenztes (Vor)Wissen vorzuweisen hat. Auch auf der anderen Seite weiß natürlich auch der Autor nichts darüber, was weder Hund noch Besitzer für Möglichkeiten haben um so die richtigen Tipps zu vermitteln. Das führt dann bei beiden unweigerlich zu einer fatalen konzeptlosen Eigendynamik und gleichzeitig wieder auf den Boden der Tatsachen. Ende Teil 1 Schlusswort Ich habe in den letzten Jahrzehnten als Hundetrainer sehr viele Bücher über Kynologie (Lehre von Rassen, Verhalten, Erziehung, Zucht, Pflege und Krankheiten) gelesen. Alle zusammen, ich habe es mal kurz überflogen, sind es summa summarum an die 5800 Seiten. Was ich bis dato selber nie bemerkt hatte, ich besitze alles mögliche, nur keinen einzigen Ratgeber. Ich habe also nur Sach- bzw. Fachbücher mit denen ich mich neben vielen Seminaren weitergebildet habe und welche für mich persönlich auch einen echten Mehrwert darstellten. Unter allen meinen Büchern, habe ich natürlich auch ein sogenanntes Lieblingsbuch. Ohne den Titel diese Buches zu nennen, war ich etwas erstaunt, dass es neben guten Rezessionen leider auch wenige, die nicht gut so angekommen sind. Einige davon möchte ich als Kurzfassung zusammentragen. „Ausführliche Problembeschreibung, leider wenig konkrete Hilfe.Ich hab von dem Buch mehr erwartet und bin etwas enttäuschend darüber, dass so wenig Hilfestellungen gegeben werden. Stattdessen wird das Problem in unterschiedlichen Situationen ausführlich beschrieben, was einen die ganze Zeit auf mögliche Lösungsstrategien hoffen lässt. Leider gibt es nur einen wirklichen Tipp mit dem Hinweis, dass man aber eigentlich keine pauschalen Tipps geben kann, weil die Hunde-Mensch-Konstellationen so unterschiedlich sind…“ „ Hier wird gut beschrieben was und warum Leinenpöbler tun. Man lernt die Zusammenhänge zwischen Mensch, Ausstrahlung, innere Einstellung und Hund. Dadurch versteht man die Eigendynamik des Verhaltens sehr gut und kann auch etwas gegensteuern, wenn man sich selbst an die Nase fasst. Jedoch fehlen mir ein bisschen die konkreten Lösungsansätze, wenn man so einen Hund hat, oder trainieren möchte.“ „Klasse Buch, geschrieben in einem lockeren, verständlichen, aber durchaus wissenschaftlichen Stil. Ich habe schon viele Bücher über Hundeverhalten gelesen und dieses ist eines der Bücher, die ich gerne wieder in die Hand nehmen werde. Unabhängig von dem Thema Leinenaggression. Es werden viele Motive seitens des Hundes und des Menschen beschrieben, warum sich der eigene Hund so verhält wie er sich verhält. Trainingsansätze werden angerissen, aber es wird bewusst auf ein Schritt für Schritt-Programm verzichtet und dafür deutlich gemacht, dass das Thema viel zu vielschichtig ist, als dass es dafür EINEN oder DEN Weg gibt. Insgeheim hätte ich mir an manchen Stellen dennoch ein bisschen mehr Konkretes gewünscht, aber wenn es nicht das erste Buch zum Thema ist, kann man mit diesem Buch wunderbar arbeiten.“ „Ein humorvoll geschriebenes Buch das viele Aha Erlebnisse beschert. Ein Muss für jeden Hundemenschen. Leider der falsche Titel, da der nicht an Otto Normalo gerichtet ist. Ich empfehle es immer gern in meiner Huschu weiter.“ „Ein Buch!! Sonst nichts“ Resümee Gute Ratgeber müssen keine Lösungen parat haben. Sie sollten zuhören können, nachfragen und neue Perspektiven anbieten, ohne ihre Meinungen aufzudrängen. Der größte Risikofaktor in einem Ratgeber ist der Anwender