Wenn ein Test krank macht
Die Angst vor Krankheiten und Allergien wächst in zunehmender Zahl. Schwere Fälle von Cypercondrie unter den Hundebesitzern nimmt in den letzten Jahren erschreckenderweise zu. Google, Facebook und Co. tragen ihr Halbwissen in die Welt und in diversen Foren bekommst du auf jede dumme Frage noch dümmere Antworten. Man hinterfragt heute leider überhaupt nichts mehr. In mancher Community geht es zu wie am Hamburger Fischmarkt morgens um halb sieben. Wer am lautesten schreit bekommt die meisten Zuhörer.
Man könnte fast vermuten, dass man heute ohne eine gescheite Allergie gar nicht mehr up to date ist. Und tatsächlich, es gibt heute mehr Hundebesitzer denn je welche glauben, dass ihr Hund an einer Krankheit wie eben an einer Allergie leidet.
Geschichten die das Leben schreibt.
Manche sind komisch und viele sind tragikkomisch.
So wie der 18 Monate alte Golden-Retriever Rüde der nach Aussage seiner Besitzern an einer Allergie leidet. Ich schätzte sein Gewicht so um die 25 kg wobei er mir für sein Alter schon etwas schmächtig vorkam. Auch sein Fell war eher stumpf als denn glänzend. Wegen seiner Allergie dürfe er nur mit Pferdefleisch und Kartoffeln gefüttert werden. Und weil er einfach nicht so richtig zunimmt, müsse man jetzt seine Tagesrationen erhöhen.
Jetzt bin ich wirklich kein zertifizierter Ernährungsexperte und erst recht kein Tierarzt. Ich weiß aber, dass viel nicht immer viel hilft. Natürlich bin ich schon der Meinung, dass man dessen Tagesrationen erhöhen sollte. Aber, es wäre vielleicht sinnvoller, wenn dieser Hund aufgrund seiner momentanen physischen Konstitution etwas mehr Kohlehydrate und Fett als denn Proteine in seinen Napf bekäme. Ich gehe mal davon aus, dass auch dieser Hund -wie die meisten unserer Familienhunde, je nach Aktivität als Couch-Potatos gelten und daher am Tag so zwischen 1400 und 1800 Kcal benötigen.
Essen ist mehr als nur reine Nahrungsaufnahme
Ein x-beliebiges Pferdefleischmenü welches ich im Handel gefunden habe, besteht dort aus 65% Pferd (Herz, Leber, Lunge, Muskelfleisch) und zu 5% aus Kohlehydraten wie Kartoffeln, oder Pastinaken. Der Rest bestand aus Brühe. Der Rohproteingehalt lag bei 11%. Der Fettanteil um die 2%, die Rohfasern bei 0,6% und die Energiedichte bei 1050 Kcal/1000g.
Um dabei aber nur annähernd die benötigten 1400 Kcal am Tag anzukratzen, benötigt der vor beschriebene Goldi jeden Tag eine Ration von 1400 Gramm dieses Nassfutters. Wodurch sich daher nur der Proteingehalt, nicht aber die Kohlehydrate und Fette signifikant erhöhen. Eine Tagesration wäre dann fast 6% seiner Körpermasse. Was man wiederum deutlich im Output bzw. im Kotbeutel erkennen wird.
Je nach Größe, Aktivität, seinem momentanen psychischem, physischen Zustand oder Stresslevels benötigt ein Hund am Tag etwa 2 bis 4% seines Körpergewichtes im Napf.
Weil diverse Hersteller anstatt Muskelfleisch zudem den Inhalt mit günstigen Innereien und bindegewebsreichen Schlachtprodukte aufpimpen, steigt natürlich auch der Puringehalt und somit der Harnsäurespiegel. Was zu Nierenproblemen oder anderen Autoimmunkrankheiten führen kann.
Zwar kann ein Hund einen erhöhten Proteingehalt tolerieren, aber auf Dauer schadet das Organen wie Niere und Leber. Auch häufiges Wasserlassen, Juckreiz und Gewichtsverlust sind oft ein Zeichen von einem Überangebot von Eiweißen in der Nahrung.
Auch getrocknete Kausnacks und Spielzeuge stehen in Verdacht Allergien zu fördern. Von Kausnacks und Spielzeugen mit teilweisen extremen giftigen Substanzen (Chrom, Arsen. Blei, Quecksilber, Weichmachern) sollte Abstand genommen werden. Leider besteht für solche Mitbringsel aber keine Deklarierungs-pflicht. Ein Risiko zu eliminieren wäre schon der erste Schritt in die richtige Richtung.
Wenn Futter nach Glück schmeckt
Nahrungsaufnahme macht nicht nur einen vollen Bauch, sondern zählt zu den Grundbedürfnissen und beeinflussen auch die Psyche.
Meiner Erfahrung nach, was auch diverse Studien belegen, werden gerade hektische, hibbelige, stressige und zu reaktivem Verhalten neigende Hunde ruhiger, wenn sie etwas weniger Proteine in ihrem Napf fänden. Im Gegensatz dazu kurbeln tryptophanreiche Lebensmittel den Serotoninspiegel (Glückshormon) an und regulieren nicht nur die Stimmung. Die Weisheit, „Nudeln machen Glücklich“ kommt ja nicht von ungefähr.
Man kann natürlich seinen Hund auch mit gemahlenen Schuhsolen oder Vogelfedern füttern. In beiden stecken Proteine drin, nur die Wertigkeit und Verfügbarkeit dieser Eiweiße sind kritisch zu hinterfragen. Zumal hydrolisierte Proteine im Futter oft aus minderwertigem Eiweiß bestehen und nicht die eigentliche Ursache bekämpfen.
Wie ich vor schon mal erwähnt habe, ist Essen halt mehr als nur reine Aufnahme von Nahrung.
Nicht jede Quaddel ist eine Krankheit
Viele verarbeitete, lang gelagerte und reife Lebensmittel wie Dosen oder getrocknete Kausnacks und verschiedenen Fleischsorten (Pferd, Innereien etc.) enthalten einen erhöhten Histamingehalt. Kann ein Hund das nicht abbauen sind geschwollene Lider, Ekzeme, Halsreizungen, Magen-Darmbeschwerden oder zu viel Magensäure die Folge. Auch die augenscheinlich erkennbaren Symptome einer Hystaminintoleranz wie Kratzen, Schmatzen, Hautrötungen am Unterbauch oder Quaddeln zwischen den Zehballen werden oft mit einer Futtermittelallergie in Verbindung gebracht.
Wer schon einmal Barfuß oder in kurzen Hosen über eine blühende Wiese ging oder sich in Brennnesseln gesetzt hat, weiß was ich meine.
Die Suche (Sucht) nach einer Krankheit
Gesund zu bleiben beginnt erst, wenn wir beginnen darüber nachzudenken.
Sie kann nicht damit beginnen einen Antikörpertest (IgG) im Internet zu kaufen um dadurch eine Futtermittelallergie auszuschließen. Man muss wissen, dass es bei diesem Test keinen kausalen Zusammenhang mit den eigentlichen Beschwerden gibt. Er zeigt nur an was der Hund irgendwann einmal schon gefressen hat, aber nicht auf oder was er allergisch reagiert. Auch über eine Histaminintolleranz (Pseudoallergie) können diese Tests keine Auskunft geben. Es führt wie eben auch bei einer Futtermittel-allergie oder Unverträglichkeit ausschließlich über eine Provokation. Das einzige Mittel der Wahl wäre wirklich nur eine Ausschlussdiät. Das ist natürlich zeitraubend aber dafür garantiert kostenlos.
Wenn die Psyche ins Spiel kommt
Die übersehene Krankheit. Nicht nur bei Menschen, sondern auch bei unseren vierbeinigen Freunden kommt es immer mehr zu Zivilisationskrankheiten. Was bei der Suche nach einer Allergie selten oder so gut wie nie behandelt oder hinterfragt wird, ist der psychische Zustand der Probanden.
Permanenter Stress, Überforderung, auch Langeweile oder soziale Isolation ist ein idealer Nährboden für eine psychische Instabilität.
Es ist zwar bewiesenermaßen richtig, dass Allergien nicht durch Stress entstehen können. Aber richtig ist auch, dass Stress allergische Reaktionen auslösen, verstärken und aufrechterhalten können.
Wenn das Immunsystem schwächelt und Durchfall, Juckreiz oder Erbrechen den Tagesablauf bestimmt ist das nicht immer unbedingt ein Zeichen einer Futtermittelallergie.
Nach einer Studie der Vetuni in Vienna sind Allergiker stressanfälliger und neigen zur Unterdrückung von Emotionen.
Resümee:
Wie bei jeder anderen Krankheit auch, sollte man daher nicht nur die Symptome sondern auch die Ursachen behandeln. Meiner Erfahrung nach gibt es immer einen kausalen Zusammenhang zwischen psychischer bzw. emotionaler Instabilität und einem Krankheitsbild. Leider wird dabei zu viel, zu oft und nur an einem oder am falschen Rad gedreht.
Ein guter Tierarzt und ein Hundetrainer mit psychologischem Background könnte eine gute Alternative sein um das Elend nicht noch zu verschlimmbessern.
Vielen Dank, für ihr Interesse
Manfred Gibisch
Hundeschule ALMhund


